Jetzt sind wir schon seit fast 8 Wochen hier. Haben schon die wichtigsten Dinge auskundschaftet. Taiji Meister, chinesische Möbel, chinesische Massagen, Schwimmbad, chinesische DVDs ohne Untertitel, Spitäler, Kindergärten, Expat Communities, Nudelbuden, Shopping Malls, Dim Sums, Ocean World und was das Herz sonst noch so begehrt.
Für mich ist das nun der dritte längere Aufenthalt in China. Jedesmal völlig verschieden, jedes Mal mit ganz anderen Herausforderungen und jedes Mal ein ganz anderer Einblick in dieses riesige Land.
Das erste Mal vor 12 Jahren als low budget backpacker quer durch China. Wenn man mehr als 3 Dollar pro Nacht ausgegeben hat, galt man schon fast als Versager. Jeden Tag Nudelbuden und Strassenrestaurants, zwischendurch heisses Wasser an allen Ecken, welches man sich in das Original Marmeladenglas mit Teeblättern füllen konnte. In Chengdu, wo ich das erste Mal versucht habe, die ersten Bruchstücke der chinesischen Sprache zu erfassen, Essensausgabe in Emailtöpfen in der Universitätskantine. Damals konnte man auch noch ohne Bedenken quer durch Beijing oder Chengdu mit dem Fahrrad fahren. Schon bei dieser ersten Begegnung habe ich China als extrem faszinierend und vor allem herausfordernd empfunden. Man konnte eigentlich nie eine fixe Meinung haben, es nicht einfach schön und wunderbar, aber auch nicht nur eklig und mühsam finden. Es gab wunderbare Momente, wo man irgendwo am Ende der Welt von chinesischen Opernsängern zum Essen eingeladen wurde, oder wo man zwecks Erhaltung der Körpertemperatur (mangels Heizungen südlich des Yangtse) Badminton im Hinterhof gespielt hat, aber es gab auch die Momente, wo man sich am liebsten weggebeamt hätte, wenn man wieder mal von einer Menge gaffender, "lao wai" krächzender und spukender Chinesen umringt war oder gerade wieder einmal in einem Laden von einer Verkäuferin mit "mei you" (haben wir nicht) abgewimmelt wurde, wo man doch genau sehen konnte, dass im Regal hinter ihr genau das objet de désir lag.
Vor 6 Jahren dann in Dalian als Postdoc an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Schon da war ich einiges besser positioniert. Immerhin 6000 RMB pro Monat (ca. 1000 CHF) und eine 2-Zimmerwohnung mit Heizung, Küche und Dusche. Aber auch da völliges Eintauchen in die chinesische Welt, da ich als einzige Westlerin weit und breit da gearbeitet habe. Immerhin war die Kantine besser und ich konnte mir ab und zu Abstecher nach Shanghai oder nach Haerbin leisten. Aber der Umgang mit gebildeten Leuten war dort eigentlich die prägenste Erfahrung. Das Erleben, dass man sich auch über kulturelle Unterschiede hinweg viel zu sagen hat und sich auch verstehen kann (manchmal vielleicht besser als einige Nachbarn zu Hause). Aber auch in Dalian war das Fahrradfahren zum Teil schon verboten.
Diesmal sind wir mit der ganzen Familie hier. Mit den Kindern mag das waghalsig erscheinen. Vielleicht ist es das auch. Kinderautositze sind hier so gut wie unbekannt, was die Lebensmittel alles enthalten, will man lieber nicht wissen und man fragt sich immer wieder, ob die Kinder nach 2 Jahren auch so schön "Helllöööu, how are you, what's your name?" kreischen können werden, wie die Chinesen, die man so auf der Strasse trifft.
Aber auf der anderen Seite ist es eigentlich viel einfacher als meine ersten beiden Male. Die meisten Formalitäten werden zum Glück über die Firma abgewickelt und China hat sich enorm entwickelt. Es ist spannend zu sehen, was sich in den 12 Jahren alles verändert hat. Über die Fort- und Rückschritte werde ich noch zu berichten versuchen.
Viele dieser Veränderungen machen zumindest das Leben eines Ausländers hier einfacher. Schon mal damit angefangen, dass zumindest in den Städten der Anblick eines Ausländers etwas normaler geworden zu sein scheint. Man hört nicht mehr überall hinter sich den zischenden "lao wai"-Laut (übersetzt "alter Fremder"), sondern wird höchstens noch als "wai guo peng you" angesprochen ("ausländischer Freund" tönt doch schon viel besser). Ausserdem sind in den Städten die Coffees förmlich aus dem Boden geschossen. Die Starbucks, die mancheiner bei uns boykottiert, erscheinen hier endlich mal als Oasen in dem dauernden Betrieb der überbevölkerten Strassen Chinas. Nur in den Coffees kann man einfach mal sitzen, ohne sich dauernd Dumplings und Nudelsuppen reinstopfen zu müssen. Immerhin entdecken jetzt auch die Chinesen das Pendant des Teahouses wieder. Und nicht zuletzt gibt's jetzt überall auch Supermärkte (von Carrefour bis Metro), wo man von Gruyère bis Haribo Gummibärchen und Frey Schokolade alles kaufen kann. Da frage ich mich eigentlich schon fast, wie die paar AOC Kühe aus dem Greyerzerland die ganze Milch für den chinesischen Markt produzieren können. Und offensichtlich scheint die Migros doch nicht die Exklusivrechte auf Frey-Schokolade zu haben. Wir essen zwar zumeist chinesisch, aber westliche Esswaren in Reichweite tragen zur Linderung der Sehnsucht bei.
Fahrrad fahren hier nur noch die Armen hochbeladen, meist im Gegenverkehr auf irgendwelchen mehrspurigen Schnellstrassen. Die, die es sich leisten können, fahren lieber im Tuareg oder Cayenne vor. Aber es gibt jetzt auch Busse, welche auch fahren, bevor sie total vollgepfropft sind und in welchen man meist sogar einen Sitzplatz findet. Zumindest hier in Guangzhou lassen einen die Leute sogar meist aussteigen, bevor sie reindrängeln, oder das System ist so gemacht, dass es verschiedene Türen zum Ein- und Aussteigen gibt. Und bei uns im Estate fahren bereits die ersten Elektromotorräder...
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