Rice, egg and beef, carrot and lettuce fried chicken, fried vegetable, tofu and fish soup, dragon fruit and green jujube. Das ist das heutige Mittagsmenu im chinesischen Kindergarten, welchen unsere Kinder nun seit über einem Jahr besuchen. D.h. eigentlich heisst das Ding "Canadian International Kindergarten". Aber bis auf zwei Koreaner sind sie unter rund 300 chinesischen Kindern die einzigen Ausländer. Und trotzdem ist es auch kein normaler, öffentlicher, chinesischer Kindergarten, sondern eine private Organisation, welche vor allem damit Werbung macht, dass sie einem modernen, westlichen Erziehungskonzept folgt.
Als ich letztes Jahr in der Eingewöhnungsphase während einigen Lektionen dabei war, war es für mich ein Schock. Was tun wir hier? Wieso tue ich das meinen Kindern an? Wie können wir so schnell wie möglich wieder in die Schweiz zurück, wo sie in der Krippe "Bäbizimmer" und Kuschelecken hatten? Aber dann denkt man sich, so schlimm kann es auch wieder nicht sein, schliesslich sieht die halbe Milliarde chinesischer Kinder auch nicht ganz so unglücklich oder verblödet aus. Also mal nur nicht die Kinder negativ beeinflussen und einfach mal abwarten, wie sich alles entwickelt. Und so lernen sie nun seit über einem Jahr chinesische Gedichte, Rechnen, Orff Musik, Golf und auch das Herunterleiern von "Hello everybody. My name is Jana. I'm 5 years old. I'm going to Canadian International Kindergarten. And today I am happy!" Jeden Tag kommen sie mit einem Heft heim, wo sie nach Discipline, Activity, Listetning to Teacher, Response, Reading und dergleichen bewertet werden. Und wenn sie tagsüber bestimmte Aufgaben besonders gut meistern, bekommen sie Punkte (bunte Sticker auf ihre persönliche Tafel geklebt). Am Anfang waren es sogar noch Bonbons... so richtig nach dem Seehundprinzip. Und siehe da, den Kindern gefällt's!
Alles, was man in unseren Kindergärten und Schulen um jeden Preis zu vermeiden versucht, wird hier voll durchgezogen. Leistung, Bewertung, Auswendiglernen. Und von den Eltern auch so verlangt. Study hard, listen to the teacher, learn by heart. Als eine der amerikanischen Englischlehrerinnen es mal wagte, den Eltern eines Kindes zu sagen, dass ihr Kind sich manchmal eigenständig tolle Dinge ausdenkt, waren diese ganz entsetzt, weil das ja implizit hiess, dass es während dieser Zeit nicht das macht, was ihm vorgezeigt wird.
Wenn ich den anderen Müttern oder Lehrerinnen zu sagen wage, dass ich freitags nicht arbeite und die Kinder dann auch nicht den Kindergarten gehen, kommen Fragen und Bemerkungen, die mir zu verstehen geben, dass sie sich an meiner Stelle Sorgen machen würden um die Zukunftsaussichten meiner Kinder. Immerhin bemerken sie dann, dass wir Ausländer halt nicht einem so grossen Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, weil wir ja nicht so viele sind. Diesen Vorteil benutzen wir dann gleich, um abends ganz anarchistisch die Hausaufgaben einfach links liegen lassen und die Mädchen lieber mit ihren Puppen spielen zu lassen. Die chinesischen Klassenkameraden hingegen besuchen meist auch samstags noch irgendwelche Englisch-, Klavier- oder sonstige Förderungskurse.
Auf jeden Fall schient hier noch kein chinesischer Piaget oder Pestalozzi seine Ideen entfaltet zu haben. Neurologische Erkenntnisse, zu was Kinder in einer gewissen Altersstufe angeblich fähig sind oder nicht, werden total missachtet. Alles, was bei uns ab der Primarschule möglichst spielerisch und vorsichtig an die Kinder herangebracht wird, wird hier schon um drei bis vier Jahre früher in einer Art pseudopartizipativem Frontalunterricht durchgezogen.
Hingegen ist es ein Faktum, dass quasi alle zweijährigen hier windelfrei sind (sofern sie überhaupt je Windeln hatten), dass ich noch nie ein chinesisches Kind mit einem Schnuller im Mund gesehen habe und dass unsere fünfjährige Tochter tatsächlich schon etwa 60 Schriftzeichen erkennen und verstehen kann (auch ohne abendlichen Drill).
Um durch letzteres wieder mal auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur zurückzukommen, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass es für Kinder in diesem Alter offensichtlich naheliegender ist, chinesisch (also Wörter in Form von Schriftzeichen) zu lesen, als Wörter durchzubuchstabieren. Auch wenn sie schon alle 26 Buchstaben kennen, können sie ein Wort meist noch nicht lesen, geschweige denn verstehen, was diese Ansammlung von Buchstaben denn für ein Objekt repräsentiert. Ein chinesisches Zeichen, wenn es erst mal erkannt wird, trägt gleichzeitig auch gleich seinen Sinn in sich. Was sich später im Erwachsenenalter als einfacher herausstellt, nämlich eben das Lesen von alphabetischen Schriften anstelle von Piktogrammen, scheint zuerst mal weniger intuitiv zu sein. So ergibt sich eben die Tatsache, dass es in so frühem Alter (zum Teil werden im Alter von zwei bis drei Jahren schon die ersten Schriftzeichen gelernt) möglich ist, lesen zu lernen, zusammen mit der schieren Menge, die erlernt werden muss, um überhaupt von flüssigem Lesen sprechen zu können (ca. 3500, um eine Zeitung lesen zu können), eine ganz andere pädagogische Ausgangslage.
Ich glaube aber auch, dass dieses Auswendiglernen und der Drill bei uns einen viel negativeren Einfluss hätte als hier. Nach dem konfuzianistischen Ideal muss Strenge (eines Führers oder Lehrers) = yan 严 immer mit Wohlwollen = ren 仁 und Moral, bzw. Tugend = de 德 gepaart sein. Zudem ist für die Chinesen ja trotz allem die Menschlichkeit und Gelassenheit immer sehr wichtig. Und diese Mischung scheint es irgendwie auszumachen, dass die Kinder sich trotz dieser Lernerei zu den Lehrerinnen hingezogen fühlen und eigentlich ein recht inniges Verhältnis zu ihnen haben. Zumindest das scheint ja an Pestalozzi und Co. durchaus anzulehnen, was man von europäischen Schulen, vor diesem Ideologiewechsel wohl nicht gerade behaupten konnte.
Das ist durchaus auch den relativ kleinen Klassen (ca. 20 Kinder) in diesen Privatschulen zu verdanken. In den öffentlichen Schulen, wo zum Teil zwischen 30 und 50 Kinder in dieselbe Klasse gehen ist nämlich an solche Intimität nicht zu denken. Zudem dachte ich letztes Jahr in meinem anfänglichen pädagogischen Kulturschock, dass es daran liegen müsse, dass in solchen Nobelkindergärten wie unserem eben auch besonderer Lerndruck auf die Kinder ausgeübt wird, damit aus ihnen auch sicher etwas wird, wenn man schon so viel Geld bezahlt. In Wirklichkeit ist es aber offensichtlich so, dass die, welche es sich leisten können, ihren Kindern damit eher noch ein paar Jahre der "Freiheit" mit Fächern wie Orff Musik, Malen, Golf oder Skating erlauben, bevor die ernste Zeit anfängt. Ab der Primarschule entschliessen sich aber die wenigsten weiterhin für solche "internationalen" Schulen, weil sie befürchten, dass diese zu lasch sind und später die Jugendlichen dann die Aufnahme an die chinesischen Universitäten nicht bestehen würden.
Aber von solchen Überlegungen sind wir zum Glück weit entfernt.
Als ich letztes Jahr in der Eingewöhnungsphase während einigen Lektionen dabei war, war es für mich ein Schock. Was tun wir hier? Wieso tue ich das meinen Kindern an? Wie können wir so schnell wie möglich wieder in die Schweiz zurück, wo sie in der Krippe "Bäbizimmer" und Kuschelecken hatten? Aber dann denkt man sich, so schlimm kann es auch wieder nicht sein, schliesslich sieht die halbe Milliarde chinesischer Kinder auch nicht ganz so unglücklich oder verblödet aus. Also mal nur nicht die Kinder negativ beeinflussen und einfach mal abwarten, wie sich alles entwickelt. Und so lernen sie nun seit über einem Jahr chinesische Gedichte, Rechnen, Orff Musik, Golf und auch das Herunterleiern von "Hello everybody. My name is Jana. I'm 5 years old. I'm going to Canadian International Kindergarten. And today I am happy!" Jeden Tag kommen sie mit einem Heft heim, wo sie nach Discipline, Activity, Listetning to Teacher, Response, Reading und dergleichen bewertet werden. Und wenn sie tagsüber bestimmte Aufgaben besonders gut meistern, bekommen sie Punkte (bunte Sticker auf ihre persönliche Tafel geklebt). Am Anfang waren es sogar noch Bonbons... so richtig nach dem Seehundprinzip. Und siehe da, den Kindern gefällt's!
Alles, was man in unseren Kindergärten und Schulen um jeden Preis zu vermeiden versucht, wird hier voll durchgezogen. Leistung, Bewertung, Auswendiglernen. Und von den Eltern auch so verlangt. Study hard, listen to the teacher, learn by heart. Als eine der amerikanischen Englischlehrerinnen es mal wagte, den Eltern eines Kindes zu sagen, dass ihr Kind sich manchmal eigenständig tolle Dinge ausdenkt, waren diese ganz entsetzt, weil das ja implizit hiess, dass es während dieser Zeit nicht das macht, was ihm vorgezeigt wird.
Wenn ich den anderen Müttern oder Lehrerinnen zu sagen wage, dass ich freitags nicht arbeite und die Kinder dann auch nicht den Kindergarten gehen, kommen Fragen und Bemerkungen, die mir zu verstehen geben, dass sie sich an meiner Stelle Sorgen machen würden um die Zukunftsaussichten meiner Kinder. Immerhin bemerken sie dann, dass wir Ausländer halt nicht einem so grossen Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, weil wir ja nicht so viele sind. Diesen Vorteil benutzen wir dann gleich, um abends ganz anarchistisch die Hausaufgaben einfach links liegen lassen und die Mädchen lieber mit ihren Puppen spielen zu lassen. Die chinesischen Klassenkameraden hingegen besuchen meist auch samstags noch irgendwelche Englisch-, Klavier- oder sonstige Förderungskurse.
Auf jeden Fall schient hier noch kein chinesischer Piaget oder Pestalozzi seine Ideen entfaltet zu haben. Neurologische Erkenntnisse, zu was Kinder in einer gewissen Altersstufe angeblich fähig sind oder nicht, werden total missachtet. Alles, was bei uns ab der Primarschule möglichst spielerisch und vorsichtig an die Kinder herangebracht wird, wird hier schon um drei bis vier Jahre früher in einer Art pseudopartizipativem Frontalunterricht durchgezogen.
Hingegen ist es ein Faktum, dass quasi alle zweijährigen hier windelfrei sind (sofern sie überhaupt je Windeln hatten), dass ich noch nie ein chinesisches Kind mit einem Schnuller im Mund gesehen habe und dass unsere fünfjährige Tochter tatsächlich schon etwa 60 Schriftzeichen erkennen und verstehen kann (auch ohne abendlichen Drill).
Um durch letzteres wieder mal auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur zurückzukommen, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass es für Kinder in diesem Alter offensichtlich naheliegender ist, chinesisch (also Wörter in Form von Schriftzeichen) zu lesen, als Wörter durchzubuchstabieren. Auch wenn sie schon alle 26 Buchstaben kennen, können sie ein Wort meist noch nicht lesen, geschweige denn verstehen, was diese Ansammlung von Buchstaben denn für ein Objekt repräsentiert. Ein chinesisches Zeichen, wenn es erst mal erkannt wird, trägt gleichzeitig auch gleich seinen Sinn in sich. Was sich später im Erwachsenenalter als einfacher herausstellt, nämlich eben das Lesen von alphabetischen Schriften anstelle von Piktogrammen, scheint zuerst mal weniger intuitiv zu sein. So ergibt sich eben die Tatsache, dass es in so frühem Alter (zum Teil werden im Alter von zwei bis drei Jahren schon die ersten Schriftzeichen gelernt) möglich ist, lesen zu lernen, zusammen mit der schieren Menge, die erlernt werden muss, um überhaupt von flüssigem Lesen sprechen zu können (ca. 3500, um eine Zeitung lesen zu können), eine ganz andere pädagogische Ausgangslage.
Ich glaube aber auch, dass dieses Auswendiglernen und der Drill bei uns einen viel negativeren Einfluss hätte als hier. Nach dem konfuzianistischen Ideal muss Strenge (eines Führers oder Lehrers) = yan 严 immer mit Wohlwollen = ren 仁 und Moral, bzw. Tugend = de 德 gepaart sein. Zudem ist für die Chinesen ja trotz allem die Menschlichkeit und Gelassenheit immer sehr wichtig. Und diese Mischung scheint es irgendwie auszumachen, dass die Kinder sich trotz dieser Lernerei zu den Lehrerinnen hingezogen fühlen und eigentlich ein recht inniges Verhältnis zu ihnen haben. Zumindest das scheint ja an Pestalozzi und Co. durchaus anzulehnen, was man von europäischen Schulen, vor diesem Ideologiewechsel wohl nicht gerade behaupten konnte.
Das ist durchaus auch den relativ kleinen Klassen (ca. 20 Kinder) in diesen Privatschulen zu verdanken. In den öffentlichen Schulen, wo zum Teil zwischen 30 und 50 Kinder in dieselbe Klasse gehen ist nämlich an solche Intimität nicht zu denken. Zudem dachte ich letztes Jahr in meinem anfänglichen pädagogischen Kulturschock, dass es daran liegen müsse, dass in solchen Nobelkindergärten wie unserem eben auch besonderer Lerndruck auf die Kinder ausgeübt wird, damit aus ihnen auch sicher etwas wird, wenn man schon so viel Geld bezahlt. In Wirklichkeit ist es aber offensichtlich so, dass die, welche es sich leisten können, ihren Kindern damit eher noch ein paar Jahre der "Freiheit" mit Fächern wie Orff Musik, Malen, Golf oder Skating erlauben, bevor die ernste Zeit anfängt. Ab der Primarschule entschliessen sich aber die wenigsten weiterhin für solche "internationalen" Schulen, weil sie befürchten, dass diese zu lasch sind und später die Jugendlichen dann die Aufnahme an die chinesischen Universitäten nicht bestehen würden.
Aber von solchen Überlegungen sind wir zum Glück weit entfernt.